„Bruch und Kontinuität: Das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918“
Eine großartige Ausstellung anlässlich des Gedenk- und Erinnerungsjahres 1918/2018 im Hofmobiliendepot ∙ Möbel Museum Wien
Das Schicksal von ehemals kaiserlichen Besitztümern und Kunstobjekten nach dem Ende der Habsburgermonarchie steht im Hofmobiliendepot bis 30. Juni 2019 im Zentrum der neuen Ausstellung. Mit dem Ende der habsburgischen Herrschaft 1918 stellte sich nicht nur die Frage, wie mit dem politischen Erbe der Habsburgermonarchie umzugehen war. Auch, was mit dem materiellen Nachlass der Dynastie Habsburg-Lothringen und des kaiserlichen Hofes passieren sollte, musste geklärt werden.
Die Ausstellung erzählt anhand konkreter Objekte, wie die kaiserlichen Residenzen und Schlösser mitsamt ihren Ausstattungen, die Kunstsammlungen und die Vermögenswerte des Hofes in den Besitz der jungen Republik übergingen und wie sich ihr weiteres Schicksal gestaltete. Zu Beginn geht die Ausstellung auf verschiedene Facetten des historischen und sozialen Umbruchs ein. Sie erklärt das rechtlich komplizierte Geflecht der habsburgischen Besitztümer und Sammlungen, um die verschiedenen Wege der Übernahme und Verwertung durch die Republik zu verstehen.
Was gehört dem Kaiser? Was gehört dem Staat?
„Die Republik Deutschösterreich ist Eigentümerin des gesamten in ihrem Staatsgebiete befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögens.“ Paragraf 5 des Habsburgergesetzes vom 10. April 1919
Mit diesen wenigen Worten beanspruchte die junge Republik im Frühjahr 1919 das materielle Erbe der Habsburgermonarchie für sich. Die tatsächliche Inbesitznahme der ehemals kaiserlichen Hofämter, Kunstsammlungen, Schlösser und Liegenschaften war jedoch deutlich komplizierter, wie die Ausstellung zeigt. Die Abwicklung der Hofverwaltung etwa nahm drei Jahre in Anspruch. Bis November 1921 existierte der „Hof ohne Kaiser“ unter republikanischen Vorzeichen weiter.
Der Fokus lag zunächst auf der materiellen Sicherung und Verstaatlichung der kaiserlichen Besitztümer. Die österreichischen Ansprüche sollten gegen Forderungen der anderen Nachfolgestaaten wie auch der Siegermächte durchgesetzt werden. Auch die Ansprüche der ehemaligen Herrscherdynastie mussten abgewehrt werden.
Rechtliche Graubereiche bei den Eigentumsverhältnissen
Unter anderem erschwerten die rechtlichen Graubereiche bei den Eigentumsverhältnissen die Inbesitznahme. Nicht alles, was der Kaiser besaß und nutzte, gehörte ihm auch persönlich. Tatsächlich waren die verschiedenen Schlösser und Kunstsammlungen, die landläufig als „kaiserlich“ bezeichnet wurden, vermögensrechtlich unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen.
Zum Zeitpunkt des Endes der Monarchie unterschied man zwischen drei Hauptgruppen: dem staatlichen Hofärar (Staatseigentum), dem Familienvermögen der Dynastie Habsburg-Lothringen (gebundenes Vermögen) und dem Privateigentum der einzelnen Mitglieder des Herrscherhauses. Welche Vermögenswerte zu welcher Gruppe gezählt wurden, war nach 1918 entscheidend für das weitere Schicksal der jeweiligen Besitztümer. In den Habsburgergesetzen vom April 1919 wurde die Übernahme des staatlichen Hofärars und des gebundenen Vermögens durch die Republik festgelegt.
Auch die „Affäre“ rund um die Kronjuwelen hat ihre Wurzeln in der komplexen Frage der Eigentumsverhältnisse. Kaiser Karl ließ sie in den letzten Tagen der Monarchie aus den Vitrinen XII und XIII der weltlichen Schatzkammer in der Hofburg entnehmen und sie – teils in Etuis verpackt, teils nur in Papier eingeschlagen – in die Schweiz bringen. Unter den als Kronjuwelen bezeichneten Schmuckstücken befanden sich unter anderem der weltbekannte „Florentiner“, ein Brillant von 133 Karat aus dem Besitz Franz Stephans von Lothringen, sowie die berühmten Smaragd- und Rubingarnituren, die auf Maria Theresia, Marie Antoinette und Kaiserin Elisabeth zurückgehen.
In den nächsten Jahren folgten Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit der Entnahme sowie Diskussionen über die Frage der Besitzverhältnisse. Bis heute wird die „Affäre“ rund um die Kronjuwelen in Publikationen aufgegriffen. Über deren weiteres Schicksal kursieren bis heute mehrere Versionen.
Die originale Vitrine XIII konnte vor kurzem im Hofmobiliendepot wieder identifiziert werden, ebenso die zurückgelassenen Etuis in der Schatzkammer. Sie sind in der Ausstellung zu sehen und machen erstmals die Leerstellen sichtbar, die der mythenumwobene Schmuck hinterließ.
Ansprüche der Nachfolgestaaten und Siegermächte
Auch die Ansprüche der anderen Nachfolgestaaten und der Siegermächte waren zu berücksichtigen. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch im November 1918 versuchten diese die Vermögenswerte der Monarchie für sich zu sichern. Die einzelnen Nachfolgestaaten übernahmen auf ihren Territorien die Residenzen und Schlösser, die zum staatlichen Hofärar und zum Familienvermögen gehörten. Eine besondere Situation entstand im Fall der Kunstsammlungen. Ein Großteil der Kunstschätze befand sich auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich und vor allem in Wien als der ehemaligen kaiserlichen Residenzstadt. Die Nachfolgestaaten und Siegermächte forderten auch ihren Anteil an den Kunstsammlungen ein.
Anhand von Fotografien und Dokumenten schildert die Ausstellung das radikale Vorgehen Italiens. Die italienische Siegermacht veranlasste die Beschlagnahmung von 66 kostbaren Gemälden aus dem Kunsthistorischen Museum. Diese waren in ihren Augen unrechtmäßig im 18. und 19. Jahrhundert nach Wien transferiert worden, als große Teile Oberitaliens unter habsburgischer Herrschaft standen.
Im Friedensvertrag von Saint-Germain vom September 1919 setzte sich schließlich das Territorialprinzip durch: Die Vermögenswerte fielen demjenigen Staat zu, auf dessen Staatsgebiet sie sich befanden. Für Österreich bedeutete dies, dass die Republik nun zweifelsfrei als Eigentümerin der Sammlungen des Kaiserhauses bestätigt wurde. Die Republik wurde aber verpflichtet, Objekte auszufolgen, die zum kulturellen Erbe eines Nachfolgestaates gehörten.
Die Ausstellung zeigt nicht nur, über welche teils verworrenen Wege ehemals kaiserliche Besitztümer und Kunstobjekte in den Besitz der jungen Republik kamen. Sie erzählt auch, wie die republikanische Inbesitznahme vor sich ging: Etwa mittels Austausch der Insignien der Habsburgermonarchie gegen Symbole der jungen Republik, durch Namensänderung, Neuinventarisierung und Neuordnung der Kunstschätze, aber ebenso durch aktive Aneignung. Als Ausdruck der revolutionären Stimmung wurden beispielsweise zahlreiche Ansprüche auf das Schloß Schönbrunn als Symbol der Habsburgerherrschaft gestellt. Es kam zu Szenen wilder Aneignung. So sahen sich die Kriegsinvaliden als „Opfer habsburgischen Unrechts“ berechtigt, Teile von Schloß Schönbrunn zu besetzen.
Gewinnbringende Verwertung des kaiserlichen Erbes
Die junge Republik sah sich nach der Verstaatlichung der kaiserlichen Besitztümer mit deren enormen Erhaltungskosten konfrontiert. Hinzu kamen Reparationszahlungen an die Nachfolgestaaten und die Verpflichtung zur Übernahme der Staatsschulden der untergegangenen Monarchie. Es mussten daher innovative Konzepte zur gewinnbringenden Verwertung des kaiserlichen Erbes gefunden werden. Im Rahmen der „Demokratisierung“ der kaiserlichen Besitztümer wurden Schlösser und Kunstsammlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ganze Schlossanlagen samt ihren Ausstattungen wurden musealisiert. Am Beispiel der symbolischen Machtzentren Schönbrunn und Hofburg sowie dem Hofmobiliendepot stellt die Ausstellung die vielen Nutzungskonzepte für eine wirtschaftliche Verwertung vor. Manche wurden verworfen, andere leben bis heute fort.
Schönbrunn: Vom Kaiserschloss zum Schlossmuseum
Das Ende der Monarchie bedeutete einen Bruch in der Geschichte des Schlosses, das seine Funktion als Residenz des Monarchen eingebüßt hatte. Eine interessante Kontinuität stellt jedoch die Wiederaufnahme des Besichtigungsbetriebs dar. Dieser hatte bereits unter kaiserlicher Verwaltung mit Einschränkungen bestanden und wurde nun auf das gesamte Schloss ausgedehnt.
Hofburg: Museum und Veranstaltungszentrum
Die Wiener Hofburg hatte eine besondere Stellung im Gefüge der Stadt inne: Der über einen Zeitraum von mehr als 600 Jahren gewachsene Gebäudekomplex war nicht nur Hauptresidenz und Wohnsitz des Kaisers, sondern auch Sitz verschiedenster Ämter der Hofverwaltung. Im Oktober 1919 wurden die ehemaligen kaiserlichen Appartements der Hofburg zur Besichtigung freigegeben. Die Repräsentationsräume des Kaisers waren bereits vor 1918 öffentlich zugänglich, sofern sie der Hof nicht für seine Zwecke benötigte.
Die Festsäle der Hofburg wurden für Großveranstaltungen vermietet. Obwohl zunächst nur als Provisorium gedacht, stellte sich diese Idee der Vermietung als eine lukrative Marktlücke heraus. Mit wenig Aufwand konnten hohe Mieteinnahmen erzielt werden. Anfänglich standen nur die äußeren Bereiche des Zeremonialappartements im Schweizertrakt der Alten Burg zur Verfügung, da der Festsaaltrakt der Neuen Burg unvollendet geblieben war. Der Erfolg gab schließlich den Impuls für die Fertigstellung dieser weitläufigen Räume, die bis heute als Kongresszentrum in Verwendung stehen.
Vergangenheit als Kulisse – Verwertung des Hofärars in der Filmindustrie
Die Ausstellung macht auch deutlich, wie wichtig die Filmindustrie für die gewinnbringende Verwertung des kaiserlichen Erbes war. Aufgrund der anhaltenden Währungskrise und der damit einhergehenden Inflation waren die Kosten für Filmproduktionen vergleichsweise niedrig. 1921 existierten in Wien 42 Filmfirmen. Im Schnitt wurde alle zwei Wochen ein Film gedreht. Vor allem für die Produktion von Historienfilmen, für die aufwendige Ausstattungen und eine Vielzahl von Komparsen benötigt wurden, fand man in Wien günstige Bedingungen. Durch Kooperationen mit Filmfirmen und den Verleih von Requisiten eröffnete sich der Republik eine äußert lukrative neue Einnahmequelle. Der überaus reiche Fundus an hofärarischen Beständen ermöglichte prachtvolle Ausstattungen mit historischen Möbeln. Die ehemals kaiserlichen Schlösser und Gärten stellten perfekte Kulissen für Historienfilme dar.
Die rote Erzherzogin
Ein eigener Bereich ist in der Ausstellung der „Roten Erzherzogin“, der Tochter Kronprinz Rudolfs, gewidmet. Es dauerte bis 1926, bis der Besitz von Elisabeth Windisch-Graetz aus der Hofburg und Schloß Schönbrunn gänzlich an sie übergeben wurde. Als bekennende Sozialdemokratin vermachte sie ihr Erbe, Kunstwerke aus dem Privatbesitz Kaiserin Elisabeths und ihres Vaters, der Republik. Nach ihrem Tode 1963 wurden die von ihr bestimmten Objekte – Möbel, Bilder, Skulpturen und familiäre Erinnerungsstücke – zwischen der Albertina, dem Kunsthistorischen Museum, dem MAK, der Nationalbibliothek und der Bundesmobilienverwaltung aufgeteilt. Ein großer Teil wird gemäß ihrem Wunsch im Hofmobiliendepot und in den Kaiserappartements der Wiener Hofburg präsentiert.
Hofmobiliendepot: Vom Depot zum Museum
1747 von Maria Theresia als Hofmobilieninspektion gegründet, bestand die Aufgabe des Hofmobiliendepots bis zum Ende der Monarchie in der Anschaffung, Inventarisierung und Pflege von kaiserlichem Mobiliar. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie wurden im Hofmobiliendepot Schauräume geschaffen, in denen die Möbel des ehemaligen kaiserlichen Hofes ausgestellt wurden. Ein Teil der hofärarischen Möbel und Ausstattungsstücke wurde für die repräsentative Einrichtung von neu geschaffenen Bundesämtern sowie Botschaften bestimmt. Außerdem wurden mit den Möbelbeständen die ehemaligen kaiserlichen Residenzen eingerichtet beziehungsweise ausstattungsmäßig ergänzt, damit deren Prunkräume zur öffentlichen Besichtigung freigegeben werden konnten. Mit Beständen der ehemaligen Hofsilber- und Tafelkammer, die als Teil des hofärarischen Vermögens von der Republik übernommen worden war, wurde in der Hofburg eine Dauerausstellung eingerichtet, die im Mai 1923 eröffnet wurde.
Für die einzigartige Ausstellung sollte man sich mindestens zwei bis drei Stunden – bei der Fülle von Exponaten samt erläuternden Texten – Zeit nehmen.
Ausstellungsort: Hofmobiliendepot ∙ Möbel Museum Wien Andreasgasse 7, 1070 Wien
Ausstellungsdauer: bis 30. Juni 2019
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 10 – 18 Uhr. Zusätzlich geöffnet am Montag, 24.12.2018, 31.12.2018, 22.4.2019,10.6.2019
KuratorInnen: Dr.in Ilsebill Barta und Mag. Martin Mutschlechner
Weitere Informationen zur Ausstellung und das vielfältige Begleitprogramm unter www.hofmobiliendepot.at
Ein Ausstellungstipp von Edith Köchl
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