Dr. Andreas Kumpf, der Experte für gesundes Altern über Anti-Aging-Medizin
Alle paar Jahre boomt eine neue pseudo-medizinische Wunderwelle. Heilversprechen von Produkten wie Apfelessig, Auszüge aus Aloe Vera, Heilerde oder Himalaya-Salzen haben die einschlägigen Magazine seit Jahren gefüllt. Die empirische Evidenz reicht dabei wissenschaftlichen Studien zufolge von nicht eindeutig über fragwürdig bis zu unerwarteten gegenteiligen Effekten.
Anti-Aging-Medizin – Geldsegen für die Pharmaindustrie oder tatsächlich hilfreich?
Doch wie sieht es mit der seriösen Medizin aus? Auch hier hat sich ein neues Gebiet etabliert: die „Anti-Aging-Medizin“. Kann der um sein Alter besorgte Mensch hier hoffnungsvoll nach Mittelchen Ausschau halten, die Falten wieder glätten, die Haare erneut dunkler machen und die Muskelkraft sowie die geistige Konzentration wieder auf das Niveau eines 40-Jährigen bringen? Oder geht es primär um die Verlangsamung eines beschleunigten Alterns?
Ewige Jugend auf Krankenschein?
Betrachten wir die Fakten: Anti-Aging-Medizin ist seit Jahren ein breiter Regenschirm geworden, unter dem sich eine Vielzahl von Präparaten gut vermarkten lassen. Allein der Zusatz im Wortlaut „Medizin“ legt den Trugschluss nahe, dass der Traum von der ewigen Jugend nun auf Krankenschein, oder zumindest von einem Arzt verordnet, in der Apotheke erhältlich ist. Eindeutig und absolut wahr ist bisher, dass durch so genannte Anti-Aging-Präparate jedes Jahr mehrere Milliarden in die Kassen der Pharmakonzerne eingespielt werden.
Schauen wir uns das Gebiet der „Anti-Aging Medizin“ etwas genauer an. Univ. Prof. Dr. Robert Gasser zufolge hat seriöse Anti-Aging-Medizin heute das Ziel, den durch Umwelteinflüsse oder chronische Krankheiten beschleunigten Alterungsprozess zu normaliseren und vorzeitiges Altern zu verhindern, d.h. seriöse Anti-Aging-Medizin kann den physiologischen Alterungsprozess nicht verlangsamen, man kann sich nicht verjüngen oder sichtbare Alterungsprozesse in Luft auflösen lassen!
Gesunde Ernährung und körperliches Training erhöhen die Lebenserwartung
Zurzeit wird in der Wissenschaft recht kontrovers diskutiert, ob Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken und lebensverlängernd wirken. So zeigt die Forschung bei Labortieren eine Reihe von Ansätzen, welche die Langlebigkeit verändern können. Als eindeutig erwiesen gilt die unaufregende Tatsache, dass ein moderater Lebensstil, gesunde Ernährung und körperliches Training die Lebenserwartung erhöhen, indem altersbedingte Erkrankungen vermieden bzw. verzögert werden.
Was ist aber zu tun, wenn in den letzten Jahrzehnten „gesündigt“ worden ist, wie durch mangelnde Bewegung, ungesunde Ernährung und hohen Stresspegel im Beruf? Ist es dann nicht legitim in die medizinische Trickkiste zu greifen? Was ist wirklich dran an Schlagworten wie Omega-3, Vitaminpräparaten, Q10, Phytochemicals und Spurenelementen, Aminosäuren, Wein, mediterraner Ernährung und „ Dinner Cancelling“? Die wissenschaftliche Lage hierzu ist nicht eindeutig. Dennoch lassen sich deutliche Signale herauslesen, die Vitalstoffkonzepte befürworten. So zeigte die Lyon-Studie bei Patienten, welche eine mediterrane Diät befolgen (reich an Alpha-Linolensäure, bzw. Omega-3-Fettsäuren), eine 70%ige Reduktion der Sterblichkeit als Folge von Erkrankungen des Herzkranzgefäße.
Antioxidantien gegen Freie Radikale
Für vorzeitige Alterungsprozesse werden neben Dehydration, reaktiven Entzündungen, Hormondefiziten auch die freien Radikale verantwortlich gemacht. Freie Radikale werden seit mehr als 20 Jahren immer wieder als entscheidende Faktoren für die Zellalterung angesehen, die ihrerseits für die Entwicklung der arteriosklerotischen Erkrankungen und bösartigen Tumoren verantwortlich ist. So genannte Antioxidantien (Vitamin A,C, E, Betacarotin, Selen, Jod, Coenzym Q 10, Lykopin) können die Zellen vor freien Radikalen schützen. Dennoch ist die Monointervention, also die alleinige Gabe von niedrigen bis mittleren Dosen an Vitamin C oder E, zur Unterbrechung der Oxidation und somit zur Verhinderung der Erkrankung der Herzkranzgefäße, fehlgeschlagen.
Studien belegen, dass mittlere und niedrige Dosen von Vitamin E keinen Einfluss auf Verhinderung der Erkrankung der Herzkranzgefäße haben. Andere Studien konnten zeigen, dass hohe Dosen an Vitamin C (mehr als 300mg/Tag) und Vitamin E (mehr als 75mg/Tag) das Risiko eines Todes durch Herzerkrankungen um bis zu 42% senken können. Wissenschaftlich gesehen muss der Nutzen von sehr hohen Dosen von Vitamin C+E noch deutlicher bewiesen werden.
In einer anderen Studie konnte eindrucksvoll nachgewiesen werden, dass bei Ratten, die Aloe-Vera-Saft mit dem Trinkwasser einnahmen der Cholesterinspiegel um 30% gesenkt werden konnte. Ob sich dieser Effekt auch auf Menschen übertragen lässt, ist zu prüfen.
Ähnlich sieht es mit dem Coenzym Q10 aus, welches von vielen Anti- Aging-Anhängern in Mediziner-Kreisen empfohlen, von anderen hingegen strikt abgelehnt wird, da sein Nutzen nicht ausreichend belegt sei.
Mediterrane Kost ist gut fürs Herz
Eine richtungsweisende Studie zum Thema „mediterrane Ernährung“ (d.h. reich an Alpha Linolensäure, Obst, Gemüse, Ballaststoffen und Meeresfisch) zeigte, welche positiven Effekte die Diät auf das System der Herzgefäße bei Patienten mit koronaren Herzkrankheiten hat. Die mediterrane Diät führte bei konsequenter Einhaltung zu einer Gewichtsreduktion und der Nutzen einer Verringerung von Übergewicht ist heute eindeutig belegbar. In zahlreichen Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass bei konstantem Nahrungsmangel die Lebenserwartung um 40% erhöht werden kann. Diesen beeindruckenden Effekt erklärt man sich damit, dass durch den geringeren Energieumsatz (=Kalorienmenge) auch eine geringere Belastung durch Sauerstoffradikale bedingt ist, der oxidative Stress somit geringer und die körpereigenen Reparaturmechanismen wirksamer sind.
Ableiten könnte man hieraus, dass nach 17.00h keine Nahrungsaufnahme mehr erfolgen sollte, bzw. etwas abgemildert, das man zwei so genannte Dinner-Cancelling-Tage einlegen sollte, dies aber konsequent. Es gibt also kein Patentrezept, das wir allen älteren Menschen gleichermaßen
geben können. Vitalstoffkomplexe in der verantwortungsbewussten Anti-Aging-Medizin sollten mit einem Experten individuell abgestimmt werden, denn sie sind ebenso geeignet, die antioxidative Kapazität zu erhöhen, wie die Gefäße zu schützen und die Entgiftungsmechanismen verstärkt zu aktivieren.
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise, die den heutigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion widerspiegeln. Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
TEXT: GOLDEN Age Archiv, Dr. Andreas Kumpf | FOTO: Fotolia
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