Ein Wochenendtipp von Edith Köchl

Fesch sieht er aus der Joachim Maly in seinem Stadtführer-Gewand dem karierten Kalmuck-Janker. Mit ihm geht’s von unserem Hotel „Veltlin“ zum Wein-Erlebnis-Spaziergang. Schon nach einigen Schritten sind wir im Weingut Neustifter. Das riesige Kellergewölbe ist in blaues Licht für Weißweine, allem voran Grüner Veltliner und in rotes Licht für Rotweine, wie z.B. Zweigelt getaucht. Von der Decke baumelt ein Luster mit einer dicken schwarzen „Kellerkatze“, ein schwarzer Schimmelpilz, der zwar nicht schnurrt, sich aber wie ein flauschiges Katzenfell anfühlt und außerdem ein Zeichen für optimale Luftfeuchtigkeit ist.

Von der Kellerkatze zur Kellergasse

Der Radyweg ist ein hier im Löss-Gebiet für Kellergassen typischer Hohlweg. Er ist im Laufe der Jahrhunderte durch Befahren mit Fuhrwerken und Benützung als Viehtrift sowie witterungsbedingte Ausschwemmungen entstanden, erzählt unser Guide. Blitzblank weiß getüncht säumen Keller mit Presshäusern den Radyweg, den längsten von mehr als zehn Kellergassen in Poysdorf. In der Vergangenheit, erfahren wir, gab es über dem Keller einen Getreidespeicher mit einer quicklebendigen Kellerkatze, als Mäusejägerin. Nach dem Fressen soll sie es sich auf einem Fass gemütlich gemacht und im Herbst die wohlige Wärme des anhaltenden Gärprozesses genossen haben. Während Gärgase Menschen aus den Schuhen kippen, konnten sie den Samtpfoten mit ihren sprichwörtlichen neun Leben offensichtlich nichts anhaben. Sie verweilten genussvoll schnurrend auf jenem Fass, dessen Inhalt am längsten gärte, also zum besten Wein geriet. Heutzutage ziert das Fass mit dem jahrgangbesten Wein eine Kellerkatze aus Holz – sozusagen als neues Symbol des Weinviertels.

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Dampfplauderer und Akazi

Eine weitere Geschichte dreht sich um “Dampfplauderer”, die nichts mit Schwätzern zu tun hatten. Angeblich trafen sich in der Vergangenheit die Honoratioren der Stadt im Weinkeller, um bei einem Glaserl Wein wichtige Dinge zu besprechen. Neugierige konnten aber die geheimen Gespräche trotzdem ausspionieren, denn aus dem Schornstein des Weinkellers kam nicht nur Dampf, sondern auch klar und deutlich die Stimmen der sogenannten “Dampfplauderer”. Im Sommer bilden Wildsträucher und die “Akazi” genannten Robinien ein grünes Dach über die Kellergasse – nicht nur ein Schauplatz für Führungen und Veranstaltungen, sondern auch ein idyllischer Rastplatz für Wanderer oder Radler und natürlich perfekt für Weingenießer.

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Vino Versum – „eine Stadt lebt den Wein“

Die Kellergassenführung endet im Vino Versum: Hier in der WEIN+TRAUBEN Welt gibt es eine Ausstellung auf 3.000 m2 rund um die Themen: Rebe, Traube und Wein. Eine riesige Weintraube, getragen von zwei biblischen Kundschaftern, ist seit Jahrhunderten das Symbol der Weinstadt. Ein 5 Meter hohes, dreidimensionales Wappen begrüßt am Eingang der Traubenhalle die Besucher und erzählt interaktiv die Geschichte des Wahrzeichens von Poysdorf. Die Wände der Halle schmücken 27 verschiedene monumentale Weintrauben. Interaktive Gemälde erzählen vom antiken Weinmythos ebenso wie von der Arbeit im Weingarten. Die Weine der traditionsreichen Weinstadt genießen seit Jahrhunderten einen exzellenten Ruf. Zu den Kunden zählten etwa das Österreichische Kaiserhaus und der Zarenhof in St.Petersburg. So soll im Jahr 1815 Zar Alexander I von Russland auf seinem Weg zum Wiener Kongress in Poysdorf einen Zwischenstop eingelegt haben und dabei den Poysdorfer Wein kennen und schätzen gelernt. In Erinnerung daran und anläßlich der 300-Jahr-Feier St. Petersburgs lud der Oldtimerclub Poysdorf ein Fass Wein auf den Traktor und fuhr in die einstige Zarenmetropole: 4972 Kilometer in 26 Tagen. Dieser Traktor ist samt seiner Geschichte ebenfalls in der Traubenhalle zu bewundern.

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Sonderausstellung „Die Fürsten von Poysdorf“

Und im ehemaligem Bürgerspital aus dem 17.Jahrhundert lädt eine Ausstellung zu einer Zeitreise durch die Geschichte von Poysdorf ein, die durch Wein, Schlauheit und guter Kontakte zum Kaiserhof in Wien innerhalb kurzer Zeit unglaublich reich wurde. Die heurige Sonderausstellung „Die Fürsten von Poysdorf“-von der Weinstadt Österreichs auf die Throne von Portugal, Bulgarien und Brasilien. In der Region rund um die Weinstadt Poysdorf im nördlichen Weinviertel wurzeln die Stammbäume einiger der bedeutendsten und einflussreichsten Fürstenfamilien Europas, die in weiterer Folge Königs- und Kaiserthrone in Portugal, Bulgarien und Brasilien bestiegen. Das Vino Versum Poysdorf widmet den Dynastien Sachsen-Coburg-Koháry, Trautson und Liechtenstein die Sonderausstellung und zeichnet deren vielfältige Beziehungen zu Poysdorf nach.

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Burg Falkenstein – erstmals veröffentlichte Abbildung

Dabei wird als kulturhistorische Sensation die einzig erhaltene Abbildung der Burg Falkenstein vor ihrer Zerstörung im 30-jährigen Krieg erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Spannend auch die Geschichte der Komtesse Maria Antonia Koháry – die schönste und reichste Erbin Europas. Die Familie Sachsen-Coburg und Gotha ist heute das bedeutendste Königshaus Europas, die britische Queen zählt ebenso dazu wie der heutige König von Belgien. Der katholische Familienzweig ist aufs engste mit Kleinhadersdorf, heute Teil der Stadtgemeinde Poysdorf, verbunden, denn hier ruht die Stammmutter des Hauses Sachsen-Coburg-Koháry. Der immense Reichtum und politische Einfluss der bislang kaum bekannten Grafenfamilie Koháry versetzte auch Ausstellungskurator Günter Fuhrmann in höchstes Erstaunen, als er im Zuge seiner Recherchen deren Familiengeschichte freilegte: „Maria Antonia Koháry war zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht nur die wohl schönste, sondern auch die reichste Erbin Europas. Mit einem nach heutigem Wert mehrfachen Milliardenvermögen an Land, Schlössern, Fabriken und Unternehmen und der Hochzeit mit dem Coburg-Prinzen Ferdinand Georg schaffte sie es, eine Dynastie zu gründen, der die Könige von Portugal, die Zaren von Bulgarien und die kaiserliche Familie von Brasilien angehören.“ – Nach der Führung durch die Ausstellungen gab es noch eine Verkostung von national und international ausgezeichneten Poysdorfer Weinen.

Hotel “Veltlin” und Weingartentour

Zurück im Hotel erwartet uns ein köstliches Abendessen mit Bärlauchcremesuppe, Lammkrone und abschließend ein Mandelkrokant-Brownie. Abgestimmt dazu die feine Weinbegleitung. Tags darauf hatten wir die berühmte Qual der Wahl: Relaxen im Wellnessbereich des Hotels, Golfen oder eine Traktorrundfahrt durch die Weingärten, für die ich mich entschieden habe. Poysdorf ist mit 1400 Hektar Rebfläche einer der größten Weinorte des Landes. Auf den Rieden der Weinhügellandschaft gedeihen Grüner Veltliner, Welschriesling, Riesling und Zweigelt, aber auch weiße Burgundersorten und Grüner Sylvaner. Gut 2000 Sonnenstunden im Jahr ermöglichen bestens ausgereifte Weine, erzählt unser Traktorfahrer, natürlich im Kalmuck-Janker. Und da war er nicht der einzige in der Karo-Jacke. Mit auf der Tour dabei auch ein Pärchen: beide in der seinerzeitigen Arbeitskleidung der Weinbauern dem Kalmuck-Janker, der sich wunderbar mit Jeans kombinieren lässt, freuen sie sich über ihr modisches Souvenir. – Leider wollen die beiden nicht fotografiert werden – schade – denn sie sehen wirklich sehr fesch aus …

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Informationen:

www.weinviertel.at Weinviertel Tourismus GmbH,

Kolpingstraße 7, 2170 Poysdorf, Tel.: +43 2552 3515

www.hotelveltlin.at Hotel Veltlin, Am Golfplatz 9, 2170 Poysdorf, Tel.: +43 2552 20606

Veranstaltungsprogramm:

www.vinoversum.at Vino Versum Poysdorf, Brünner Straße 28, 2170 Poysdorf

Höhepunkte im Mai 2016:

14.Mai: Regionalweinmesse “Poysdorfer Weinparade”

27.Mai: Erlebniskellergassenführung durch die Schaukeller am Radyweg

TEXT & FOTOS: Edith Köchl

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