Deine, meine unsere Kinder: den Nachlass in Patchwork-Familien zu regeln, birgt Tücken. Die „klassische“ Familie – Mann und Frau verheiratet, gemeinsame Kinder – wird immer öfter von neuen Familienkonstellationen abgelöst. Patchwork-Familien sind auf dem Vormarsch. Statistisch gesehen lebt bereits jede zehnte Familie in einer solchen Zusammensetzung, Tendenz steigend.
Doch das Vererben in solchen Familienkonstellationen birgt ungeahnte Tücken. Wird auf die gesetzlich vorgesehene Regelung vertraut, kann es passieren, dass Kinder leer ausgehen – oder die Falschen erben. Guido Küsters, zertifizierter Finanzberater und Vorstandsmitglied des Österreichischen Verbandes Financial Planners, plädiert dafür, das Thema rechtzeitig in Angriff zu nehmen und zeigt Fallstricke auf, die Patchwork-Familienmitglieder kennen sollten.
Patchwork-Familien sind mittlerweile weit verbreitet. Aufgrund hoher Scheidungsraten und nicht ehelicher Lebensgemeinschaften entstehen Familien oftmals nicht erst mit der Geburt gemeinsamer Kinder. Es beginnt bereits mit der neuen Partnerschaft, in die Kinder aus früheren Beziehungen eingebracht werden. Noch komplexer werden die familiären Verhältnisse, wenn später gemeinsame Kinder geboren werden. „Solche Konstellationen sind heute gesellschaftliche Normalität. Viele Erblasser kümmern sich allerdings nicht rechtzeitig darum, für faire Verhältnisse zu sorgen. Dies kann zu bitteren Überraschungen, aus persönlicher, aber vor allem aus finanzieller und rechtlicher Sicht führen“, sagt Finanzplaner Guido Küsters, der seit vielen Jahren vermögende Kunden in Österreich und Deutschland berät sowie ehrenamtlich für den Verband Financial Planners im Einsatz ist.
Ungeregeltes Erbe sorgt für Ungerechtigkeiten und Streit
Die erste Tücke besteht Küsters zufolge darin, dass das gesetzliche Erbrecht in Österreich auf die traditionelle Kernfamilie gemünzt ist. Der bestehende Ehegatte oder die Ehegattin erbt demnach ein Drittel des Vermögens. Die eigenen Kinder – unabhängig davon, aus welcher Ehe sie stammen – erben gemeinsam zwei Drittel. Stiefkinder gehen leer aus, während Adoptivkinder den vollen Erbanspruch haben. „Das Pflichtteilsrecht setzt dem freien Verteilen des Erbes gewisse Grenzen. Es ist möglich, dem Ehepartner und den leiblichen Kindern nur die Hälfte des vorgesehenen, gesetzlichen Erbteils, also nur den Pflichtteil, zuzugestehen und die restliche Hälfte unter den Stiefkindern zu verteilen“, informiert er. Dazu benötige es jedoch eine individuelle Regelung für den Fall des Ablebens, im Idealfall ein Testament. Viele würden allerdings vor der Komplexität der gesamten Thematik zurückschrecken. Immerhin gilt es, verschiedenste Interessen und Familienstämme unter einen Hut zu bekommen. Nichtstun, was das Erbe in Patchwork-Familien anbelangt, wäre Küsters zufolge allerdings der größte Fehler. Entscheidet man sich dazu, das Thema proaktiv anzugehen, sollte eine Familien- und Vermögensübersicht erstellt und ein kompetenter Berater konsultiert werden. Hier stellt sich allen voran die Frage, wer welches Vermögen hat oder noch erwartet, und wer welche Kinder in die Ehe eingebracht hat. Erst auf Basis dieser Informationen sollten weitere Entscheidungen getroffen werden.
Testament: besondere Regelung und professionelle Umsetzung
Der wesentlichste Aspekt einer überlegten Nachfolgeregelung ist dem Finanzexperten zufolge allerdings das Testament – hier gibt es eine Reihe an Möglichkeiten, mithilfe derer sich regeln lässt, wie das eigene Vermögen im Ablebensfall die richtigen Personen erreicht. In einem Testament kann beispielsweise geregelt werden, wer der Erbenkreis sein soll, wer nur eine bestimmte (wertvolle) Sache erhält und wem nur der Pflichtteil zukommt. Bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung und Vermögensaufteilung sollte das sogenannte Ehegattenvoraus beachtet werden. Beispielsweise bekommt der Ehegatte neben dem Hausrat ein lebenslanges Wohnrecht in der gemeinsamen benutzten Immobilie. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, schon zu Lebzeiten ein Vermögensverzeichnis zu erstellen, das die Vergabe von Sachwerten im Detail regelt. Im Testament können auch komplexe und individuelle Regelungen wie zum Beispiel Vor- und Nacherbschaft (Erbe auf Zeit) oder Fruchtgenuss festgelegt werden. „Ein Finanzplaner hat den Blick auf das große Ganze und die konkrete Umsetzung sollte danach in Zusammenarbeit mit einem Notar oder Rechtsanwalt erfolgen. Dieser trägt ein Testament auch in das Testamentsregister ein, damit es im Falle des Ablebens jederzeit auffindbar ist. Ein handschriftlicher letzter Wille birgt durch die bestehenden Formvorschriften erhebliche Gefahren. Wenn ein Testament professionell bei einem Notar errichtet wird, sollten auch gleich die Themen der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung eingehend besprochen werden“, rät Küsters.
Wer rechtzeitig plant, spart sich viel Ärger
Küsters zufolge ist frühzeitige Kommunikation im gesamten Familienkreis das A und O für eine friedvolle Einigung. Aus seiner Beratungspraxis kennt er aber auch andere Szenarien: „Erbstreitigkeiten nehmen zu und in sehr vielen Fällen geht es um Patchwork-Familien. Häufig spielen sich hoch-emotionale Szenen ab. Dabei geht es nicht nur um Kränkungen und Verletzungen, weil einer weniger bedacht wird als der andere, sondern sogar um existenzielle Fragen. Wird das Erbe im Vorfeld gemeinsam besprochen, gibt es in der Regel keine Probleme. Umso wichtiger ist es, auf einen seriösen Finanzberater zu setzen, der den gesamten Prozess durch ganzheitliche Planung begleitet. Zertifizierungen wie Certified Financial Planner CFP® und Certified Foundation and Estate Planner CFEP® lassen auf hohe Beratungsqualität schließen. Die Nachfrage nach Dienstleistungen rund um diesen Bereich steigt Küsters zufolge rasant, da immer mehr Personen in bunt gemischten Familienkonstellationen leben. Gerade in der Beratung von vermögenden Privatkunden sei die Beschäftigung mit Themen wie Ruhestandsplanung, Generationenmanagement und Nachfolgeplanung ein wichtiger Aspekt.
Schlummerndes Potential für Finanzberatung
„Der Bereich Erben und Vererben kann für Finanzberater eine interessante Erweiterung ihres Leistungsspektrums sein, hier schlummert sehr viel Potential“, ist Küsters überzeugt. Schätzungen der Wirtschaftsuniversität Wien zufolge liegt das jährliche Erbschaftsvolumen zwischen zehn und 15 Milliarden Euro. Finanzberater, die vor solchen Themen nicht zurückschrecken, hätten die Chance zu zeigen, dass sie nicht nur verkaufsorientiert denken würden, sondern am persönlichen Wohlergehen ihrer Kunden interessiert wären. „Viele Klienten sind dankbar, wenn sie von einem externen Berater proaktiv auf dieses unangenehme Thema, das gerne auf die lange Bank geschoben wird, angesprochen werden. Wer hier Expertise bietet, hebt sich nicht nur vom Mitbewerb ab, sondern baut eine persönliche Bindung zum Mandanten auf und gewinnt idealerweise sogar die Kinder als Kunden von morgen.“
Über den ÖSTERREICHISCHEN VERBAND FINANCIAL PLANNERS
Der Österreichische Verband Financial Planners ist ein gemeinnütziger Verein, der Beratungsstandards für Finanzberatung und -planung etabliert, weiterentwickelt und fördert. Damit richtet er sich im Interesse des Konsumentenschutzes an die Finanzdienstleistungsindustrie und die dort tätigen Berater, sowie an private Konsumenten. Zu den wichtigsten Aufgaben des Verbandes gehören die Förderung der finanziellen Bildung der Österreicher und die Zertifizierung von Finanzberatern und -planern nach europäischen bzw. internationalen Standards.
Gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien hat der Verband ein didaktisches und inhaltliches Konzept für die Ausbildung von Finanzlehrern erarbeitet, mit dem Zertifikatsträger des Verbandes an Schulen unterrichten.
Im Netzwerk der European Financial Planning Association und des Financial Planning Standards Board arbeitet der Verband an verbindlichen Standards für die Finanzberatung und -planung, und bringt dabei Wissenschaft und Praxis zusammen. Dazu gehört auch der Kontakt zu Aufsichts- und Regulierungsbehörden, sowie zu Universitäten, Hochschulen und anerkannten Ausbildungsträgern.
In verschiedenen Bereichen der Finanzberatung und -planung bietet der Verband international anerkannte Zertifizierungen wie z.B. European Investment Practitioner EIP®, European Financial Advisor EFA® und Certified Financial Planner CFP®, oder Spezialisierungen wie den EFPA ESG Advisor® und der Certified Foundation & Estate Planner CFEP®.
Weitere Informationen: www.cfp.at
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