Rock’n Roll und Flowerpower, Mini, Midi, Maxi-Look, Perlon, Dralon, Nylon, Matrosenkrägen und Knautschlackjacken,… – all das haben wir erlebt. Was ist für uns heute eigentlich noch „shocking“, nachdem wir selbst unsere Eltern mit langen Haaren, engen Jeans und dem Hippie- Look zur Verzweiflung getrieben haben?

Jede Generation will und muss sich abheben von den Altvorderen und in diesem Licht müssen wir heute Skaterhosen, deren Hosenböden bei den Knien herumwabern und Tatoos und Piercings, die eine ganze Generation stigmatisieren, sehen. Alles ein verzweifelter Versuch unserer Nachfolgegenerationen unseren Anspruch auf „ewige Jugend“ zu brechen, denn wir, die vielbeschriebenen „Baby-Boomer“, die Nachkriegsgeneration, die ihre Jugend zwischen Trotzkopf und den Blumenkindern zugebracht hat, wir lassen nicht locker!

Dynamisch und modern, agil und sportlich, aber auch schon stilsicher und etabliert, wissen wir einfach was wirklich „in“ ist, wir geben den Ton an, wenns darum geht, Jugendkultur zu definieren. Schauen Sie sich die Jurymitglieder von DSDS an, die Besitzer von Szenelokalen und Wellnesstempeln: alles Menschen der Generation 50plus, die der Jugend sagt und zeigt, was angesagt ist.

Standortbestimmung zur Lebensmitte

Seit Monaten beschäftigt mich der Gedanke, ab heuer auch der 50plus Generation, den nicht mehr ganz Taufrischen, den Fortgeschrittenen sozusagen anzugehören. Es ist kein wehmütiges Gefühl, keine Trauer um verlorene Jugend oder die Alterskrise schlechthin. Vielmehr ziehe ich Bilanz und versuche zu verstehen, was sich – langsam und unbemerkt – bis zum heutigen Tag für mich persönlich verändert hat. Es stehen plötzlich keine lebensverändernden Entscheidungen mehr an, die Frage, ob ich Jazzmusiker in New Orleans oder Bauer im Bregenzerwald werden möchte ist nicht mehr relevant, welche Ausbildung zur Karriere führen wird und wohin die Reise meines Lebens gehen soll, stellt sich einfach nicht mehr. Alles bisher war keine Generalprobe sondern schon die Premiere – und die einzige Auff ührung, die es gibt. Was steht also noch bevor?

Ernten, was man gesät hat

Abholen von Erfolg und Freude über Erreichtes sollte die nächsten Dekaden bestimmen. Nein, ich meine absolut nicht, dass alles gelaufen ist und es keine Veränderungen mehr geben wird. Es wird einfach nur anders und mit dieser neuen Qualität bewusst umzugehen ist meine Aufgabe. Ich möchte eine lustige Alte werden, ich möchte mit den Kindern lachen und sie dürfen, bei Bedarf, meine Lebenserfahrung anzapfen und Informationen abrufen. Aufdrängen werd ich’s ihnen nicht, denn ich nehme nicht für mich in Anspruch, alles richtig gemacht zu haben. Leben findet eben auch in der Zeit statt und für uns noch gültige Anschauungen und Werte, unsere Bildungsansprüche und unser Freizeitverhalten, unsere Musik und unsere Mode lassen sich einfach nicht eins zu eins auf 2016 übertragen.

Geordneter Rückzug

Machen wir uns nicht lächerlich mit unserem „Nicht-Loslassen“ und unserem Jugendanspruch. Tragen wir Jeans und Minis nach Belieben, laufen wir herum als Omas in nabelfreien Tops und als Opas mit langen Haaren und Lederjacken, all das haben wir in unseren 50plus-Jahren gelernt und damit sind wir authentisch. Damit sind wir aber nicht mehr „jung“ und wenn wir genau hinschauen, werden wir feststellen, dass die wirklich Jungen sehr viel biederer sind als wir selbst, viel konservativer und traditionsbewusster und eigentlich sehr „erwachsen“. Die „heutige Jugend“ ist genau so gut oder so schlecht, wie sie es immer war – machen wir doch nicht den Fehler grantige besserwisserische Alte zu werden, sondern beobachten wir mit Liebe und Interesse die Entwicklung. Wir haben doch schon Distanz und Lebenserfahrung – genießen wir diesen Vorsprung!

Text: GOLDEN AGE Archiv, Daniela Schwarz | Foto: Fotolia