Die Hilfsorganisation Oxfam wirft den großen deutschen Lebensmittel-Handelsketten den Bezug von Bananen und Ananas von Plantagen vor, auf denen massiv gegen Menschenrechte verstoßen wird. Zahlung von Hungerlöhnen, gefährlicher Pestizideinsatz und Missachtung von Gewerkschaftsrechten – dies dokumentiert die bereits 2016 veröffentlichte Studie „Süße Früchte, bittere Wahrheit“, die auf die Menschenrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananasplantagen hinweist.

Oxfam hatte für die Untersuchung nach eigenen Angaben Ananasproduktionen in Costa Rica und Bananenplantagen in Ecuador besucht und dort mehr als 200 Arbeiterinnen und Arbeiter befragt und Experten interviewt. Auch auf Plantagen, die mit dem weit verbreiteten Nachhaltigkeitssiegel der Rainforest Alliance – erkennbar am grünen Frosch – zertifiziert wurden, seien die Zustände katastrophal. Hinter den köstlichen tropischen Früchten steckt oftmals eine bittere Wahrheit.

Hinter den köstlichen tropischen Früchten steckt ofmals eine bittere Wahrheit.

Zustände 2017 noch immer katastrophal

2017 gibt es wichtige Neuigkeiten zu der viel beachteten Publikation.  Oxfam war mit einem Recherche-Team vor Ort und hat bei den Menschen in den Anbaugebieten nachgefragt. Die bittere Wahrheit ist so schockierend wie eindeutig …

Die ecuadorianische Gewerkschaft Astac, mit der Oxfam zusammenarbeitet, hat einen Bericht mit Zeugenaussagen und Fotos vorgelegt, der die aktuellen Zustände dokumentiert.  Auf den fünf untersuchten Plantagen, La Palma, Matías, San José de Pongarbel, San Juan und El Naranjo, die allesamt den deutschen Discounter Lidl beliefern, werden noch immer die Menschenrechte der Arbeiter/innen massiv verletzt und die Umwelt geschädigt. Astac wendet sich deshalb in einem offenen Brief direkt an Lidl, um schnelle Verbesserung einzufordern.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Astac-Recherche

Die Löhne der Mehrzahl der Arbeiter/innen reichen nicht aus, um ihre Lebensgrundlage zu sichern. Es werden hochgiftige Agrarchemikalien verwendet und es gibt so gut wie keinen Schutz für den Fall, dass sich beim Sprayen aus der Luft Menschen auf den Plantagen befinden. Von fehlenden Schutzmaßnahmen sind auch Anwohner/innen im Umkreis der Plantagen betroffen.

Arbeiter/innen, die sich der Gewerkschaft Astac anschließen oder eine eigene Gewerkschaft gründen wollen, werden bedroht und jegliche Formen der Selbstorganisation der Beschäftigten behindert. Es ist den Arbeiter/innen nicht einmal erlaubt, sich an freien Tagen in ihren Gemeinden zu treffen. Wer gegen diese Regel verstößt wird bedroht.

Die Studie zeigt am Beispiel der Ananasindustrie in Costa Rica und der Bananenindustrie in Ecuador, mit welchen dramatischen sozialen und ökologischen Kosten der Anbau tropischer Früchte verbunden ist.

Suli und Emy aus Ecuador haben auf Plantagen, die Lidl beliefern, mit Arbeiter/innen gesprochen. Im Namen der Arbeiter/innen fragen sie: „Lidl, deine Lieferanten verseuchen unsere Umwelt – wann beendest du diese Praxis?“

Deutsche Supermarktketten wie Aldi, Lidl, Edeka und Rewe sind mitverantwortlich für die katastrophalen Zustände in der Bananen- und Ananasproduktion: Sie nutzen ihre Marktmacht aus, um einen starken Preisdruck auf Produzenten und Lieferanten auszuüben. So sind etwa die Importpreise für Ananas trotz steigender Produktionskosten zwischen 2002 und 2014 um rund 45 Prozent gesunken. Dies trägt dazu bei, dass traditionelle Ausbeutungsstrukturen in den beiden Ländern noch verschärft werden. Die Löhne der Plantagenarbeiter/innen reichen weder in Costa Rica noch in Ecuador dazu aus, um den Lebensunterhalt einer Familie zu sichern. Noch immer herrschen prekäre Arbeitsverhältnisse. Während Supermarktketten das Aussehen der importierten Früchte penibel kontrollieren und beim kleinsten Makel ganze Lieferungen nicht annehmen, spielen soziale und ökologische Kriterien für sie eine deutlich geringere Rolle. Die Untersuchung deckt (zu) viele Verletzungen von Menschen- und Arbeitsrechten in der Ananas- und Bananenproduktion auf.

Gesundheitsschäden durch hochgiftige Pestizide

Bananen und Ananas werden meist in pestizidintensiven Monokulturen angebaut. Die PlantagenarbeiterInnen und AnwohnerInnen sind diesen teils hochgiftigen Pestiziden schutzlos ausgesetzt. In Costa Rica setzten Ananasproduzenten zahlreiche Pestizide ein, zum Beispiel das von der Weltgesundheitsorganisation als akut toxisch eingestufte Oxamyl oder das in der EU nicht zugelassene Bromacil. Dies geschieht trotz anhaltender Grundwasserverseuchung in einigen Anbaugebieten, was eine Trinkwasserversorgung per Tankwagen notwendig macht. In der ecuadorianischen Bananen-
industrie werden hochgiftige Substanzen wie das in der EU nicht zugelassene Paraquat oder die als krebserregend geltenden Produkte Mancozeb und Glyphosat eingesetzt. Das Sprühen der Pestizide aus Flugzeugen gehört ebenfalls zum Standard.

Bei einer Befragung auf einer Plantage, die u.a. Lidl beliefert, gaben 60 Prozent der befragten ArbeiterInnen an, dass sie während oder kurz nachdem die Flugzeuge ihre Gifte aussprühen auf der Plantage arbeiten – eine klare Missachtung staatlich empfohlener Wiederbetretungsfristen.

Auch in Costa Rica berichten ArbeiterInnen bei Produzenten, die deutsche Supermärkte beliefern, dass Pestizide versprüht werden, während sie auf dem Feld arbeiten. Viele Befragte berichteten über eine hohe Rate an Behinderungen im Umfeld der Plantagen sowie von Fehlgeburten und Krebs. Zudem leiden sie häufig unter Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Hautallergien und Schwindel. Diese Aussagen decken sich mit den Ergebnissen der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema. In vielen Plantagen fehlt es an den notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen.

Missachtung von Gewerkschaftsrechten

Laut Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch das Recht, Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten. In den Ananas- und Bananenindustrien in Costa Rica und Ecuador wird dieses Recht systematisch verletzt. Oxfam hat in Ecuador 20 Betriebe untersucht. In keinem existiert eine unabhängige Arbeitnehmervertretung. ArbeiterInnen berichten von „schwarzen Listen“ mit den Namen von Gewerkschaftsmitgliedern, die unter Plantagenbesitzern kursieren.

Beim Lidl-Lieferanten Matías gaben 93 Prozent der Befragten an, dass sie aus Angst vor Repressalien keine Gewerkschaft gründen wollen. In Costa Rica werden  ArbeiterInnen, die sich gewerkschaftlich engagieren, regelmäßig entlassen – etwa beim Produzenten Agrícola Agromonte, der für Aldi, Edeka und Rewe produziert, wo im Herbst 2015 rund 50 ArbeiterInnen der Gewerkschaft UNT entlassen wurden.

Jorge W. Acosta O., Gesamtkoordinator von ASTAC

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Die Arbeitsbedingungen auf den Ananas- und Bananenplantagen sind prekär und menschenunwürdig. Die ArbeiterInnen werden bewusst im Unklaren über ihre Rechte gelassen. In Ecuador bekommen viele  nicht einmal eine Kopie ihres Arbeitsvertrages ausgehändigt. Arbeiterinnen berichten, dass sie wegen Schwangerschaft entlassen wurden und infolge dessen ohne Versicherungsschutz dastanden. Auch in Costa Rica berichten uns die Befragten beim Lidl-Lieferanten Finca Once und bei Agrícola Agromonte, der für Aldi, Edeka und Rewe produziert, von prekären Vertragsverhältnissen:

Die Mehrheit der Feldarbeiter/innen –meist Migranten aus Nicaragua – ist nur über Mittelsmänner beschäftigt. Diese schließen Verträge meist nur mündlich ab, mit einer kurzen Laufzeit von drei Monaten und ohne Sozialversicherung. Manche hausen in kärglichen Unterkünften und teilen sich z.B. zu viert zehn Quadratmeter. Einige Aussagen der ArbeiterInnen, die Oxfam vor Ort interviewt hat:

“Einige Kollegen arbeiten hier seit mehr als sieben Jahren und sind nicht sozialversichert.”

„Die Zuschläge, die die Manager uns für morgen oder übermorgen zusichern, erhalten wir nie.“

“Wir verlangen, dass wir sozialversichert werden und sie sagen, dass wir gehen können, wenn wir nicht arbeiten wollen.“

“Sie beschweren sich, dass sie kein Geld haben, aber sie haben welches, um andere Plantagen zu kaufen.“

Greenwashing

In letzter Zeit werben Supermärkte verstärkt mit der Nachhaltigkeit ihrer Waren. Fair-Trade-Produkte stehen für soziale Nachhaltigkeit in der Produktion, doch im Sortiment deutscher Supermärkte spielen sie weiterhin nur eine untergeordnete Rolle. Bei Ananas und Bananen setzen Aldi, Edeka, Lidl
und Rewe dagegen zunehmend auf das Siegel der Rainforest Alliance.

Oxfam-Recherchen vor Ort belegen jedoch, dass hierdurch die größten Probleme wie die Belastung durch Pestizide und die Verletzung von Arbeitsrechten nicht gelöst werden.

Forderungen

Oxfam fordert die deutschen Supermarktketten auf, ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Dazu gehören menschenwürdige Arbeitsbedingungen, nachhaltige Anbaumethoden und die Zahlung fairer Preise an ihre Lieferanten. Gleichzeitig ist die Politik gefordert. Die Bundesregierung muss Unternehmen verpflichten, Menschen- und Arbeitsrechte auch bei ihren Lieferanten zu achten und eine „menschenrechtliche Sorgfaltspflicht“ einzuführen. Die Regierungen von Costa Rica und Ecuador müssen die Einhaltung ihres Arbeits- und Umweltrechts in den lukrativen Exportsektoren konse-
quent durchsetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten fair produzierten tropischen Früchten den Vorzug geben und von den Unternehmen Transparenz und die Einhaltungvon Arbeitsrechten als Grundlage ihres Wirtschaftens fordern.

Jetzt offenen Brief der Gewerkschaft ASTAC unterzeichnen!

Die auf den von ASTAC untersuchten Plantagen aufgedeckten Zustände sind unerträglich. Deshalb wendet sich die ecuadorianische Gewerkschaft in einem offenen Brief an Lidl: Die Verantwortlichen dort müssen endlich handeln und diesen Zuständen ein Ende setzen.

Unterstützen Sie ASTAC und seine Forderung: Unterschreiben Sie den offenen Brief! Machen Sie Lidl klar, dass Nachhaltigkeit kein leeres Werbeversprechen sein darf. Das führt nicht nur Verbraucher/innen hinters Licht, sondern ist glatter Hohn für die Arbeiter/innen auf den Plantagen. Machen wir gemeinsam mit ASTAC Druck bei Lidl!

Mehr Information unter www.oxfam.de

Zum Oxfam-Bericht und zur Petition

Aktuelle Themen